Geschichte

c) Heidy Fasler

In die Schweiz kamen die ersten Schlittenhunde schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Und zwar hörten die Erbauer der Jungfraubahn im Berner Oberland von den starken und kälteresistenten Hunden anlässlich der Nord- und Südpol-Expeditionen. Der Samojede, von Fridjof Nansen eingesetzt, war sogar das erste Nutztier, das den Südpol erreichte. Die ‚Jungfraubahn’ importierte 1913 vom Züchter Ernest Kilburn Scott (der seine ersten Samojeden aus Sibirien nach England holte) zuerst sechs junge Samojeden und Ende September im gleichen Jahr dank den persönlichen Bemühungen durch den berühmten Polarforscher Roald Amundsen auch noch sechs Grönlandhunde, die sie für den Nahrungsmittel- und Posttransport für die Bauarbeiter auf dem Eigergletscher einsetzten. Später dienten diese Hunde als Touristenattraktion und für Schlittenfahrten auf dem Jungfraujoch.

Es dauerte noch ein paar Jahrzehnte, bis dann im Jahr 1954 der erste Husky und in den Folgejahren noch weitere einzelne Vertreter dieser Rasse aus den USA in die Schweiz importiert wurden. Erst mit der Gründung des SKNH wurde man auch noch auf den Alaskan Malamute aufmerksam und somit waren dann alle 4 von der FCI anerkannten Schlittenhunderassen in der Schweiz vertreten.

Die Heimat dieser Hunde ist die Arktis. Dazu T. Althaus: „Man vermutet, dass vor ca. 10'000 Jahren die ersten Hunde in Nordeuropa als Abkömmlinge gezähmter Wölfe gehalten worden sind und sich der Mensch ohne diese vierbeinigen Helfer wohl nie im hohen Norden niedergelassen hätte. Als vor ca. 2000 Jahren die Inuits von Sibirien aus über die Beringstrasse nach Alaska wanderten nahmen diese ihre Hunde und Schlitten mit und sorgten damit für deren Verbreitung. Den Forderungen, die von den Menschen und dem Klima in der Arktis an diese Tiere gestellt wurden, waren nur die tatsächlich bestangepassten, kräftigsten und härtesten gewachsen. Die unbarmherzige Selektion schuf einen Hundetyp, der unerreicht in Widerstand und Härte, Leistung und Anspruchslosigkeit ist. Ein dicker Doppelmantel aus Unterwolle und Grannenhaar, harte widerstandsfähige behaarte Fusssohlen, eine buschige Rute mit der der schlafende Hund sein Gesicht vor der Kälte schützt, etwas schräg liegende Augen und kleine, tief im Fell verborgene dick behaarte Stehohren, sind einige der deutlichsten äusseren Kennzeichen des arktischen Hundetyps“.

Nach den ersten Importen in die Schweiz fanden sich die Liebhaber dieser noch seltenen Hunde zusammen und gründeten 1959 den „Schweizerischen Klub für nordische Hunde“ (SKNH). Nachdem der Samojede als erster Schlittenhund von der FCI (Fédération cynologique internationale) anerkannt wurde fanden die anderen drei Schlittenhunderassen erst dank den aktiven Bemühungen durch den SKNH auch noch die entsprechende FCI-Anerkennung. Bei den zahlreichen Kontakten mit den Spezialklubs in Amerika und Skandinavien wurde dem SKNH unter anderem empfohlen, „Bestrebungen zu fördern, welche die Halter dieser Rassen anspornen, ihren Hunden Gelegenheit zu geben, die Arbeitsfreudigkeit in richtiger Weise zu befriedigen, um damit deren eigene Wesensart und Verwendungseigenschaften zu erhalten“. Allerdings dauerte es noch weitere 10 Jahre, bis diese Verpflichtung auch in den Statuten festgeschrieben wurde.

1965 organisierte der SKNH das erste Schlittenlager für nordische Hunde und fand eine grosse mediale Beachtung, nebst anderen kam sogar das Schweizer Fernsehen zu Besuch. T. Althaus: „Es wurden Material- und Trainingsmethoden demonstriert und das Schlittenführen gelernt. Und bereits ein Jahr später, anlässlich des zweiten Lagers, fand das erste Schweizerische Schlittenhunderennen auf einer ca. 4 km langen gut präparierten Rundstrecke statt. Damit war der Grundstein für eine erfolgreiche Entwicklung der bisher in Zentraleuropa unbekannten kynologischen Sportart gelegt. Im Jahr 1968 wurde die Veranstaltung umbenannt in „Internationales Schlittenlager für nordische Hunde und Internationales Schlittenhunderennen des SKNH, die zum Gross-Ereignis der Wintersaison für die Schlittenhundeführer aus ganz Europa geworden sind.“

Es ist auch den Bemühungen des SKNH zu verdanken, dass sich die noch heute gültige und sinnvolle Reglementierung im Schlittenhundesport sowohl im In- wie auch im Ausland manifestierte und dazugehörend auch noch die Reglementierung von „Pistenbeschaffenheit, Pistenmarkierung, Verhaltensregeln, Startprozedere, Überholen, Zieleinlauf, Zeitmessung, Stake out etc.“

„Während einer ganzen Woche trafen sich damals die Teilnehmer aus verschiedenen Nationen mit oft über 100 Hunden in der Schweiz und lieferten sich in den verschiedenen Rennen sportliche und faire „Kämpfe um Sekunden“. Die Renndistanzen sind inzwischen auf 12 km und mehr angewachsen und die Rennen wurden an zwei, manchmal auch an drei aufeinander folgenden Tagen ausgetragen. Als Folge davon bemühte sich der SKNH um die Erweiterung des Rennort-Angebotes, so dass 1970/71 zusätzlich und erstmals noch ein Wagenrennen durchgeführt werden konnte.“
(T. Althaus)

Es ist die logische Schlussfolgerung, dass der Ausbau der Rennangebote auch eine immense ehrenamtliche Arbeit nach sich zog, die der SKNH, als Verantwortlicher für Zucht und Sport, nicht mehr alleine bewältigen konnte. Aus diesem Grund wurde ein paar Jahre später der „Schweizerische Schlittenhundesportklub“ (SSK) mit der Auflage gegründet, die Arbeitsfähigkeit dieser Hunde zu erhalten und zu fördern und damit auch die Förderung des Schlittenhundesports.

Dieser Verpflichtung ist der SSK hervorragend nachgekommen. In der Zusammenarbeit mit den Touristenvereinen konnte der Rennkalender stetig erweitert werden. Mit einem attraktiven Angebot, einer hervorragenden Organisation und nicht zuletzt wegen der seriösen Durchführung der internationalen Schlittenhunderennen hat sich der SSK im In- und Ausland einen sehr guten Namen gemacht. Und noch immer findet das jährliche Trainingslager statt, bei dem man gemeinsam unter Gleichgesinnten dieser schönen Sportart frönen kann und Neulinge nebst einem kompakten Angebot an Instruktionen und Tipps auch Kameraden findet.

Trotz der topografischen Lage der Schweiz und der vergleichsweise kurzen Wintersaison im Unterland können sich die Schweizer Musher im internationalen Teilnehmerfeld behaupten. Zahlreiche Welt- und Europameister sind seither aus dem SSK-Kreis mit ihren Hunden aller vier Schlittenhunderassen hervorgegangen. Diese grossartigen Erfolge sind auf ein umsichtiges Training zurück zu führen und nur dank einem korrekten Umgang mit den Hunden möglich. Denn die 4 Schlittenhunderassen haben auch heute noch ihren urtypischen Charakter, mit denen sie sich wesentlich von anderen Hunderassen unterscheiden.
T. Althaus: „Jeder Besitzer, Halter und Züchter eines Schlittenhundes übernimmt deshalb die grosse Pflicht und Verantwortung, diesen teils sichtbaren, weil äusseren, teils unsichtbaren, weil inneren, Schatz, der ihm mit seinen vierbeinigen Kameraden in Obhut gegeben ist, für die Zukunft zu sichern. Die sportliche Betätigung mit Schlittenhunden kommt der ursprünglichen Haltung und Zugarbeit, die den Menschen in der Arktis das Überleben sicherte, sehr nahe. Diese Ersatzaktivität gehört zu einer tiergerechten Haltung und trägt n.a. dazu bei, die Arbeits- und Leistungsfähigkeit sowie die Ausdauer zu erhalten. Und die Schlittenhunde sind im Allgemeinen keine fast untertänig treu ergebenen Einmannhunde.“

Aufgrund dieser erhaltenen urtypischen Charakterzüge der nordischen Schlittenhunderassen, die sich auch in Unabhängigkeit und Selbständigkeit ausdrücken, sind die Halter dieser Hunde gefordert, nebst der Erfahrung auch die Bereitschaft mitzubringen, diesen Eigenschaften und Eigenheiten gerecht zu werden.
Das ist nicht jedermanns Sache und vielleicht haben sich deswegen – oder weil die nordischen Schlittenhunde nicht so schnell sind - Freunde des Schlittenhundesports anderen Hunderassen zugewendet. Da andere Hunde ausser den 4 Schlittenhunderassen im SSK nicht erlaubt waren, mussten sie zur Erfüllung ihrer Sportart einst einen eigenen Verein (SMV) gründen. Daher sind schon seit längerer Zeit bei Schlittenhunderennen Teilnehmer aus beiden Vereinen zu finden.

Das „Alpirod“ war als Etappenrennen im Schlittenhundesport einst wegweisend für weitere Distanz-Rennen in Europa war und seit 1995 als „Alpentrail“ bekannt. Dieses mehrere Tage dauernde Etappenrennen über die schönsten Strecken Europas, ist aus dem Rennkalender nicht mehr weg zu denken und stellt an das internationale Teilnehmerfeld sowohl an die Musher wie auch an die Hunde höchste Ansprüche.

Wer nun meint, der Schlittenhunde-Rennsport sei eine tierquälerische Aktivität hat noch nie gesehen, mit wie viel Freude die Schlittenhunde diese Arbeit ausführen. Hinzu kommt, dass der Musher nur mit Worten Einfluss auf die Hunde nehmen kann und nur über das Zugseil mit ihnen verbunden ist. Das Absolvieren einer Renn-; Trainings- oder Touren-Strecke ist eine absolute Teamarbeit zwischen Hunden und Musher. Mit ungefähr 8 Monaten werden sie das erste Mal mit der Arbeit am Schlitten vertraut gemacht und schon beim ersten Training verhalten sich die „Kleinen“ so, als hätten sie noch nie etwas anderes gemacht. Letzteres bezieht sich auf das Rennen und Ziehen. Es ist ganz klar, dass sie dabei noch alle Erfahrungen machen müssen, wie das Erlernen der Kommandos, das Einteilen der Kräfte, die Atmosphäre an den Rennen und die vielen Zuschauer. In dieser Entwicklung kristallisieren sich dann die Leithunde heraus. Über das Talent für die Arbeit am Schlitten verfügen zwar alle aktiven Hunde, aber das Ausführen der Kommandos und die Leitung des ganzen Gespanns bedingt die innere Stärke eines Hundes und die ist nicht bei allen Hunden gleich ausgeprägt.

Der moderne Schlittenhundesport ist ein sehr dynamisches Gebiet. Erschwerend sind nicht nur die Klimaveränderungen sondern vor allem die stets neuen und kantonal verschiedenen Hundegesetze, die die Halter von Schlittenhunden und diejenigen, welche Schlittenhundesport ausüben, vor immer neue Herausforderungen stellen. Musher, die ein grosses Schlittenhunderudel ihr eigen nennen, werden zukünftig vermutlich seltener und da Hunde nicht überall erlaubt sind, wird es auch immer schwieriger, entsprechendes Trainingsgelände zu finden, vor allem auf Schnee.

Das verbindende Interesse sowohl des Vereins für reinrassige Hunde wie auch des ‚offenen’ Vereins lag in der Freude am Schlittenhundesport und schon seit ein paar Jahren hat man an den Rennen Teilnehmer aus beiden Sportvereinen gefunden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich die beiden Vereine zusammen schlossen um gemeinsam die enorme Arbeit, die es für die Durchführung eines Rennens braucht, zu bewältigen. Unter Berücksichtung der unterschiedlichen Philosophien wurden im Interesse des Schlittenhundesportes im Jahr 2013 der neue Schweizerische Schlittenhundesport-Verein (SSV) gegründet, damit in sportlicher Kameradschaft, mit Achtung und Respekt untereinander und gegenüber den verschiedenen Vorlieben für bestimmte Hundetypen und –rassen ein Miteinander möglich wird - unter dem Motto: „Desire to go!“

Verwendete Literatur:
Thomas Althaus: „Unsere nordischen Hunderassen in Wort und Bild“ (Herausgeber SKNH, 1973)
Thomas Althaus: Lang, lang ist es her… Gedanken zum 50jährigen Bestehen des SKNH“ (Mitteilungsblatt SKNH 2009)
www.samojede-schweiz.ch/geschichte.htm